Von morgens früh... und bis zur Nacht
Von morgens früh... und bis zur Nacht
Ein musikalischer Tagesablauf
nach der Tradition der Stundengebete
mit Werken von Orlando di Lasso,
Joseph Rheinberger, Felix Mendelssohn,
Rolf Schweizer, Johann H. Schein,
Jozef Swider, Arvo Pärt,
Sven D. Sandström, Max Reger
Maulbronner Kammerchor
Künstl. Leitung: Jürgen Budday
Eine Aufnahme aus dem
UNESCO-Weltkulturerbe Kloster Maulbronn
HD-Aufnahme · DDD · ca. 60 Minuten
D
ie Tradition der Stundengebete (insbesondere Complet) wird am Evang. Seminar, dem Träger der Klosterkonzerte und des Maulbronner Kammerchors, auch heute noch zu bestimmten Anlässen gepflegt. So lag es nahe, die liturgische Form der Stundengebete auf ein musikalisch geistliches Programm zu übertragen. Natürlich ist es nicht möglich, die kompletten Texte der Stundengebete als Chorkompositionen darzubieten. So beruht das Konzept des Programms darauf, aus jedem Stundengebet wesentliche Bestandteile der Liturgie durch textgleiche oder paraphrasierende Chorkompositionen zu übernehmen. Jedes Stundengebet beinhaltet einen tageszeitlichen Text, ein Psalmgebet und ein Canticum (neutestamentarischer Lobgesang). So ist im Morgengebet als Canticum das Benedictus des Zacharias oder das Te Deum vorgesehen, die Vesper beinhaltet als Canticum das Magnificat (Lobgesang der Maria) und in der Complet findet sich als Canticum der Lobgesang des Simeon (Nunc dimittis).
Eine besondere Spannung beinhaltet das Programm dadurch, dass Kompositionen des 19. Jahrhunderts stilistisch konträren Kompositionen des 20. Jahrhunderts und einstimmigen altkirchlichen Gesängen gegenüber gestellt werden. Während sich Arvo Pärt bei seinem Magnificat auf wenige Harmonien beschränkt und sehr sparsam mit den musikalischen Mitteln umgeht (minimal music), insgesamt aber von einer vertikal bestimmten Harmonik und sensiblen Klanglichkeit ausgeht, dominiert in der Komposition von Rolf Schweizer eine strikte kontrapunktische Linearität, die primär auf die konsequente Durchgestaltung jeder einzelnen Stimme angelegt ist und damit den vertikal harmonischen Aspekt unterordnet. Rolf Schweizer ist in seiner Komposition O lux mentium vor allem im imitatorisch-rhythmischen Bereich von grosser Stringenz, hält das Werk aber durch eher homophon geprägte Einschübe (O Lux) in einer klanglichen Balance.
Von ganz anderer Art ist die Komposition Hear my prayer, o Lord des zeitgenössischen schwedischen Komponisten Sven David Sandström, die auf eine Vorlage des englischen Barockkomponisten Henry Purcell zurückgeht. Sandström übernimmt die Komposition Purcells wörtlich und führt sie ungefähr in der Mitte des Stückes klanglich sehr sensibel in seine eigene, moderne Tonsprache über. Sandström geht es um eine sehr expressive Ausdeutung des Textes Höre mein Gebet, o Herr, und lass mein Schreien zu dir kommen. Nach anfänglich verhaltenem, klagendem Ton baut sich das Stück nach und nach auf und gipfelt in einem äusserst dramatischen, existenziell betroffenen Aufschrei, in dem der Beter seine Verzweiflung hinausschreit (Sopran bis c). Scharfe Dissonanzen und extreme Dynamik verdeutlichen seine Gemütslage. Nach und nach jedoch wird das Werk wieder zurückgeführt und endet schliesslich im zartesten Pianissimo und einem reinen C-Dur-Dreiklang (Bass bis zum grossen C). Der Beter kommt also allmählich zur Ruhe und gibt sich hoffend und vertrauensvoll in die Führung Gottes.
Jürgen Budday
O
lux mentium
Motette für 4-8 stimm. Chor, 1998 komponiert von Rolf Schweizer
Uraufführung 1998 durch den Maulbronner Kammerchor
O Licht der Gedanken, Gott, vertreibe von mir die Nacht der Torheit und gib mir den Tag der Weisheit. Gehe auf, Sonne der Wahrheit und der Gerechtigkeit, aus der tiefsten Tiefe deines Wesens, die alles Verstehen übersteigt. Erscheine im Himmel meiner Seele, auf Erden meinem Herzen. Vertilge also die körperlichen Gedanken und die Hirngespinste meiner Gedanken. Pflanze einen Spross deiner Erkenntnis in dem Innersten meines Geistes. Giesse deinen Heiligen Geist aus über dem Wasser meiner Hässlichkeit, damit ich zu dir gewandt und in Einklang mit deinem Sohn dich sehe und alles unter dir durch dich. O du reinste Wahrheit, schaue dich in mir, erkenne dich in mir. Durch mich selbst sehe ich nichts als Eitles, Schwankendes und Hinfälliges, sehe ich nichts als falsche und körperliche Vorstellungen. Durch mich bin ich nichts als Tod und dunkler, unvollkommener Abgrund. In dir bin ich, soweit ich bin. In dir lebe ich, soweit ich lebe. In dir erkenne ich, soweit ich erkenne, denn du bist die höchste Einsicht, die höchste Wesenheit, das höchste Leben. Vater, Sohn und Heiliger Geist, dreifache Einheit, einfache Dreiheit in sich, dem unendlichen Gott, ein Gott ohne Ende von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen
Orlando di Lasso (1532-1594):
1. Von morgens früh [1:10]
Motette für 4-stimmigen gemischten Chor
Morgengebet (Laudes):
Anonymous / Taizé:
2. Laudate omnes gentes [3:28]
Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901):
3. Morgenlied: "Die Sterne sind erblichen" [4:36]
3 Geistliche Gesänge, Op. 69, Nr. 1
für 6-stimmigen gemischten Chor
Felix Mendelssohn (1809-1847):
4. Jauchzet dem Herrn, MWV B 58 [6:08]
3 Motetten, Op. 69, Nr. 2
Psalmgebet (Psalm 100) für 4- bis 6-stimmigen Chor
Anonymous:
5. Canticum (Benedictus) [7:02]
Lobgesang des Zacharias
Mittagsgebet (Sexte):
Rolf Schweizer (born 1935):
6. O lux mentium [9:19]
Motette für 4- bis 8-stimmigen Chor (1998 komponiert)
Uraufführung 1998 durch den Maulbronner Kammerchor
Johann Hermann Schein (1586-1630):
7. Hoffe auf den Herrn (Psalmgebet) [3:46]
Motette für 5-stimmigen gemischten Chor
Felix Mendelssohn (1809-1847):
8. Verleih uns Frieden gnädiglich, WoO 5, MWV A11 [1:44]
für 4-stimmigen gemischten Chor
Abendgebet (Vesper):
Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901):
9. Abendlied: "Bleib bei uns, denn es will Abend werden" [3:34]
3 Geistliche Gesänge, Op. 69, Nr. 3
Motette für 6-stimmigen gemischten Chor
Jozef Swider (geb. 1930):
10. Cantus gloriosus [3:49]
für 4- bis 7-stimmigen Chor
Arvo Pärt (geb. 1935):
11. Magnificat (Canticum) [6:3]
1989 komponiert, für 4- bis 8-stimmigen Chor
Nachtgebet (Complet):
Sven-David Sandström (born 1938):
12. Hear My Prayer, O Lord [6:18]
für 8-stimmigen gemischten Chor, nach Henry Purcell
Anonymous:
13. Nunc dimittis (Canticum) [4:40]
Lobgesang des Simeon
Max Reger (1873-1916):
14. Der Mensch lebt und bestehet [3:03]
8 Geistliche Gesänge, Op. 138, Nr. 1
Motette für 8-stimigen gemischten Chor
Aufgenommen in 'Direkt-Stereo-Digital'
von Andreas Otto Grimminger & Josef-Stefan Kindler
im Kloster Maulbronn 1999.
Aufnahmedatum: 8.-10. Oktober 1999
Tonmeister: Andreas Otto Grimminger
Mastering / Remastering: Andreas Otto Grimminger & Josef-Stefan Kindler
Photography, Artwork & Coverdesign: Josef-Stefan Kindler
Produktion: Andreas Otto Grimminger & Josef-Stefan Kindler
Ein reizvolles Kompendium geistlicher Chormusik
Maulbronner Kammerchor · Geistliches in K&K Edition - In der Edition Kloster Maulbronn der K&K Verlagsanstalt liegt jetzt eine Einspielung mit dem Maulbronner Kammerchor unter Leitung von Jürgen Budday vor, die unter dem Titel 'Von morgens früh und bis zur Nacht' Chorstücke von Lasso bis Pärt nach Texten der klösterlichen Stundengebete bringt. Sie entstand im Oktober vergangenen Jahres in der Entenfußhalle des Klosters, an historisch und atmosphärisch idealem Ort also.
In einprägsamen und ausgefeilten Wiedergaben, die die chorische Klasse der Maulbronner dokumentieren, wird ein sehr interessantes und vielfältiges Programm geboten, das Renaissance-Motetten von Lasso und Schein ebenso umfasst wie romantische Chorstücke von Rheinberger und Mendelssohn, nicht zuletzt aber auch zeitgenössische Chormusik einbezieht. Apart ist hierbei die Purcell-Paraphrase von Sven D. Sandström 'Hear my prayer, O Lord' ebenso wie Rolf Schweizers 'O lux mentium'. Dieses vom Maulbronner Kammerchor 1998 uraufgeführte Werk vermittelt die Polyphonie der Alten mit zeitgenössischer Tonsprache. Die CD bringt im Kontext der überlieferten liturgischen Praxis dergestalt ein reizvolles Kompendium geistlicher Chormusik durch die Zeit.
- Anmelden / Registrieren um zu kommentieren
- Share
Ein reizvolles Kompendium geistlicher Chormusik
26. November 2014 - 16:22 – kuk-art.comMaulbronner Kammerchor · Geistliches in K&K Edition
In der Edition Kloster Maulbronn der K&K Verlagsanstalt liegt jetzt eine Einspielung mit dem Maulbronner Kammerchor unter Leitung von Jürgen Budday vor, die unter dem Titel 'Von morgens früh und bis zur Nacht' Chorstücke von Lasso bis Pärt nach Texten der klösterlichen Stundengebete bringt. Sie entstand im Oktober vergangenen Jahres in der Entenfußhalle des Klosters, an historisch und atmosphärisch idealem Ort also.
In einprägsamen und ausgefeilten Wiedergaben, die die chorische Klasse der Maulbronner dokumentieren, wird ein sehr interessantes und vielfältiges Programm geboten, das Renaissance-Motetten von Lasso und Schein ebenso umfasst wie romantische Chorstücke von Rheinberger und Mendelssohn, nicht zuletzt aber auch zeitgenössische Chormusik einbezieht. Apart ist hierbei die Purcell-Paraphrase von Sven D. Sandström 'Hear my prayer, O Lord' ebenso wie Rolf Schweizers 'O lux mentium'. Dieses vom Maulbronner Kammerchor 1998 uraufgeführte Werk vermittelt die Polyphonie der Alten mit zeitgenössischer Tonsprache. Die CD bringt im Kontext der überlieferten liturgischen Praxis dergestalt ein reizvolles Kompendium geistlicher Chormusik durch die Zeit.
Dr. Karl Georg Berg, Die Rheinpfalz